Es wird mal wieder lang. :) Aber ich bin so baff, dass ich es erzählen muss.
Wie ihr alle wisst, haben wir mit unserer Winnie so manche Probleme durch ihre Unsicherheiten und ihre fehlende Sozialisierung (da muss wohl gar nichts gewesen sein, keine Geräusche, keine Menschen, keine Hunde, irgendwie keine Umwelt). Die wir bearbeiten, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg.
Ein seeehr großes Problem ist nach wie vor das Thema "Besuch", wovon Claire euch ein Liedchen singen kann :S . Winnies Show ist laut, heftig, sie ist sehr schnell und wirkt, als ob sie den Leuten ins Gesicht springen will. Früher war sie gar nicht ansprechbar dabei, vollkommen abgedreht. Wir hatten irgendwann alles durch (vom Alphawurf übers Ignorieren mit festbinden, Ignorieren ohne festbinden, ins Körbchen schicken, wegschließen, mit Leckerlis totfüttern, Dauerklingeln zum Abstumpfen), Ergebnis: Null. Ein bisschen besser wurde es, als ich anfing, sie in Paniksituationen zu beschützen. Da entwickelte sich parallel dazu, dass sie mich fragend ansah, wenn es klingelte, und erst lostobte, wenn der Besuch reingelassen wurde.
Im Garten schaffte ich es zumindest, sie ein bisschen runter zu fahren, indem ich schneller als sie den Nachbarn im Garten oder die Fußgänger durch die Hecke bemerkte als sie und deshalb schon im allersersten Bellansatz NEIN sagen konnte. Befriedigend war das nicht. Und ihren zentralen Platz nahm sie nach wie vor ein, da konnte ich sie von wegscheuchen, so oft ich wollte. Mich machte das nachdenklich, denn Winnie ist normalerweise kein Hund, der sich irgendwelche Freiheiten rausnimmt, es war also aus irgendeinem Grund sehr wichtig für sie, sich nicht an meine Anordnung zu halten. Zusätzlich ging mir immer wieder ein Film durch den Kopf, in dem zwei fremde Wölfe in das Revier eines Wolfsrudels eindrangen. Das gesamte Rudel arbeitete daran wie ein gut eingespieltes Team, diese Eindringlinge zu vertreiben, und waren dabei nicht gerade zimperlich. Das Revier ist eine der wichtigsten Ressourcen, die es gibt. Ohne Revier keine Beutetiere.
Ich versuchte, die Sache wie Winnie zu sehen. Das Ergebnis war traurig: Zum einen interessierte ich mich nicht die Bohne dafür, dass Fremde in unsere Nähe kamen. Statt nach außen hin aufzupassen, drehte ich mich zu ihr um und schimpfte mit ihr, bekam also nichts mit von den Eindringlingen. Zum anderen ließ ich sie vollkommen alleine, sie hatte die ganze Arbeit zu machen. (Man muss bedenken, dass in Winnie eine Rasse drinsteckt, die für ihre Wachsamkeit und ihren Schutztrieb bekannt ist, was die ganze Sache noch verstärkt) Ich vermute, dass nur ihre Beißhemmung dafür gesorgt hat, dass noch nichts passiert ist.
Unser nächster Campingurlaub stand an, und ich war nervös. Der von uns gebuchte Campingplatz ist nicht gerade überfüllt (ca. 20% Auslastung im Schnitt), aber die Parzellen sind eng, und dauernd gehen Leute vorbei. Ich machte einen Plan, und er ging auf!
Sobald Winnie meldete, lobte ich sie. (Warum auch nicht, sie hatte ihren Job doch gut gemacht.) Anfangs war sie sehr überrascht und stutzte, denn ein Lob war dabei was vollkommen Neues :D . Dann übernahm ich die weitere Arbeit: ich hielt ihr direkt beim BLEIB die Hand vor die Nase, um ein eventuelles Lostoben zu verhindern, und stiefelte an die Grundstücksgrenze. Kontrollierte erst angespannt, dann locker die Richtung, aus der der Eindringling nahte, um dann ganz locker, aber fest zu sagen ?Alles in Ordnung, ich habs gesehen?. Tja, die ersten beiden Tage wollte sie es noch nicht so richtig glauben, wuffte noch mal nach, schaute mich aber dabei an. Ich sah noch mal hin, dann kam nochmal mein Spruch, und ich setzte mich wieder und achtete nicht mehr drauf.
Was soll ich sagen: Von den drei Wochen waren die letzten beiden Wochen relativ entspannt. Natürlich musste einer von uns bei Winnie draußen sein, um reagieren zu können, sie hätte sonst wieder getobt, weil sie mal wieder alleine an der Front gewesen wäre. Aber: meistens hob sie nicht einmal den Kopf, ignorierte die Leute völlig, nur die Ohren bewegten sich hin und wieder. Manchmal knurrte sie leise, dann kam ein Lob, dann der Spruch, fertig. FERTIG!! Sie lag entspannt da, manchmal sogar auf dem Rücken, die Beine nach oben, und genoss den Urlaub, den sie hatte. Und die letzte Woche lag sie ohne Anordnung hinter uns. Da wussten wir, dass sie begriffen hatte, dass wir jetzt den Job übernommen hatten und ihn ausreichend ausübten.
Zuhause funktioniert es im Garten genauso, lediglich an schlechten Tagen (wenn es z.B. gewittert hat) ist sie nervös. Aber: Sie liegt relaxt und schläft!, außerdem legt sie sich nicht mehr auf den zentralen Überwachungsplatz. Einfach so, ohne Kommando, unglaublich.
In der Wohnung ist es schwieriger. Das Geräusch der Klingel ist wie ein Startsignal, das über 4 Jahre lang eingeübt wurde, eine richtige Konditionierung. Das wird dauern. Ich kann Winnie aber inzwischen die Treppe hochschicken, wenn der Besuch unten steht, oder sie mit einem ?Bleib oben? daran hindern, runter zu stürzen. Sie bellt noch, zugegeben, aber sie wird relativ schnell ruhig.
Was lerne ich (wieder mal) daraus: Nicht gegen den Hund arbeiten, sondern überlegen, warum der Hund Unerwünschtes macht, und ihm dann helfen. Manchmal kann es so einfach sein.