Hallo,
zu meinen Tätigkeiten zählt auch, dass ich beim Roten Kreuz Menschen in Erster Hilfe ausbilde (alle Altersgruppen von 9 bis 65++) – sowohl Führerscheinbewerber als auch Ersthelfer in Betrieben, bei der Feuerwehr, in Schwimmbädern u. a. Institutionen.
In diesen Kursen werden viele praktische Übungen gemacht, bei denen die Kursteilnehmer, die sich oft völlig fremd sind, fremde Menschen anfassen müssen. Das geht nicht anders!
Ich stelle aber fest, dass meine kleinen jungen Kursteilnehmer/innen von 9 bis 10 Jahren (Schulklassen) keine Probleme haben, fremde Menschen anzusprechen und anzufassen, wenn man ihnen genau erklärt, was wann zu tun ist.
Ab dem Pubertätsalter jedoch ändert sich dies: Die Kursteilnehmer/innen haben Hemmungen, fremde Menschen anzufassen.
Auch die älteren Teilnehmer/innen von ca. 30 bis 60 tun sich manchmal schwer damit, unbekannte Menschen anzufassen.
Ist das nur die Angst, etwas falsch zu machen? – Diese Angst nehme ich den Kursteilnehmern; es macht sich niemand strafbar, der während einer Erste-Hilfe-Leistung versehentlich mal etwas falsch macht.
Frage allgemein: Wieso haben erwachsene Menschen soviel Scheu davor, fremde Menschen anzusprechen und anzufassen?
Ich weiß einige Antworten darauf und vermittle sie den Kursteilnehmern auch. Aber vielleicht hat einer oder eine von Euch noch Ideen, die ich in meine Kurse integrieren könnte.
(Ist das kulturell bedingt? – Bei slawischen Völkern z. B. beobachte ich oft, dass sie sehr viel mehr Körpernähe tolerieren als z. B. bei den angelsächsischen Völkern – unabhängig von Erster Hilfe. Bei manchen Völkern wird Körperkontakt nicht fehlgedeutet, sondern gehört zum alltäglichen Leben. – Warum ist das bei uns anders?)
Viele Grüße
Brigitte
Hallo Brigitte,
Ich gehe einfach mal von mir aus. Bei dem Erste – Hilfe – Kurs für den Führerschein (mußte ich extra noch mal machen, da man den von der Security nicht anerkannt hat) kannte ich auch keinen und hatte da dann auch schon eher Hemmungen die Menschen anzupacken oder bei denen etwas auszuprobieren. Ich muß auch sagen, das ich Ausbilder das Leben schwer gemacht habe – es war Winter, wir waren in einem dunklem Kellerraum und der hatte gerade mal 10° Raumtemperatur – und gar nichts machen wollte als mich in eine der Decken einzukuscheln und alles doof fand. Dem habe ich zum Beispiel auch klar gemacht, warum ich niemal einen Motorradhelm abnehmen, wenn es nicht unbedingt sein muß und ich habe mich da auch durchgesetzt.
Also warum wollte ich da nicht so mitmachen, zum einen weil es so kalt war und zum anderen weil ich die anderen nicht kannte und zum einen nicht wußte, wie die reagieren, wenn man die ausversehen an stellen berührt, die ja nun zum normalen Scham gehören. Weil es waren ja alle fit und gesund – wenn man verletzt ist, ist es einem wohl eher egal und der Scham des Verletzten sinkt in den Boden.
Zum anderen ist es meist so, das man nicht wirklich weiß, wofür man das macht und wie wichtig das eigentlich ist – keiner kann sich wirklich vorstellen mal in die Situation zu kommen und helfen zu müssen.
Dann muß ich alle halbe Jahre eine Kurs machen und zwar für die Security, aber da kenne ich die Gruppe, weil ich mit denen arbeite und wir uns ja nicht nur die Aufenthaltsräume teilen, sondern auch schon mal die Schlafplätze, wenn wir in Hallen untergebracht sind. Man kennt sich halt, man hat sich beim Umziehen auch schon mal in Unterwäsche gesehen und geht im Sommer gemeinsam schwimmen oder ähnliches.
Da ist dann schon eine bestimmte Vertrautheit und diese macht es einem leichter die Übungen zu machen und es dann auch auszuprobieren. Zum anderen weiß man da dann auch eher, wofür man das macht und wozu man das braucht und das man es braucht – weil Konzert und Festivals und die Leute sind einfach bescheurt und denken nicht für 5 Cent nach.
Dann habe ich noch einen Ersthelferkurs im Motorradverein gemacht – speziell auf Unfälle mit dem Motorrad ausgerichtet. Da war es auch wieder leichter, weil ich eben die Leute aus dem Verein auch sehr gut kannte und wir ja auch zusammen feiern, schwimmen, Touren fahren, wo man sich ja nun auch schon mal näher kommt. Auch weiß man eigentlich warum man das macht, weil eigentlich jeder schon mal seinen Bock abgelegt hat und/oder auf einer Tour einen Freund hat stürzen sehen – wie auch immer. Auch da sieht man die Gefahr eher und kann sich eher vorstellen warum man was macht.
Kinder in Schulklassen, sind zum Beispiel sehr vertraut und haben noch nicht so den Scham, weil die raufen und toben zusammen und sie wissen noch nicht wirklich etwas von Sexualität.
Wenn man die pubertierenden Teens in Jungs und Mädchengruppen unterteilt ist es bestimmt auch einfacher für die, weil die sich ja im Klassenverband ja auch noch kennen.
Auch bei Erwachsenen könnte ich mir vorstellen, das eher mitgearbeitet wird, wenn man die Gruppen nach Geschlechtern trennt.
Was ich einmal sehr schön fand – weil ich das gefilmt habe und wir vom Motorradverein mit eingebunden wurden, das man die Kurzteilnehmer einfach einer fiktiven Situation ausgesetzt hat. Es wurde einfach ein Unfall auf einem Übungsplatz simmuliert und die Anwärter sollten zeigen was sie machen würden und dann wurde es ihnen richtig gezeigt und sie haben es nachgemacht. Das kam sehr gut an, wahrscheinlich, weil der Bezug zur Realität einfach zu sehen war und man sich das so besser vorstellen konnte als in einem Raum, wo man vielleicht noch ein Filmchen gezeigt bekommen hat.
Kurz gesagt, Deutschland ist eh ein Gafferland. Was ich einfach jedes Jahr auf den Musikfestivals erleben darf. Da stehen die Menschen daneben, wenn jemand abklappt und machen nicht wirklich was. Das geht dann nur mit genauen Anweisungen, mit lauter
Stimme und Befehlston. Aber wenn man sie dann anweist, machen die das auch alle immer ganz gut, das muß man denen schon zu gute halten (auch wenn sie beim nächsten „Opfer“ wieder vorbei laufen, es lustig finden und Fotos machen – typisch Festival halt)
Ich hoffe, das es die etwas weiter hilft.
Hallo Lacrima,
ich finde deinen sehr ausführlichen Bericht überaus interessant!
(So nebenbei: Bei einer Security bin ich gelegentlich auch noch tätig, verwende aber aus Gewissensgründen keine Schusswaffen. Das würde auch nicht zu meiner Tätigkeit beim Roten Kreuz passen.)
Dass du den Kurs noch mal machen musstest, ist klar: Die „normalen“ Führerscheinbewerber, die einen PKW fahren wollen, machen den Kurs sog. „Lebensrettende Sofortmaßnahmen“; dieser Kurs erstreckt sich über einen Tag.
Die Leute aber, die einen LKW-Führerschein machen oder z. B. eine Trainer-Lizenz in einem Sportverein erwerben wollen und auch die Ersthelfer in Betrieben müssen lt. den Vorschriften der Berufsgenossenschaften einen 2 Tage langen Kurs machen, der von der Thematik her einiges umfassender ist als der 1tägige Kurs.
Du sprichst in deinem Fall die kalten widrigen Umstände in einem Kellerraum an. Klar, da hat man keine Lust. Für das leibliche Wohl (Essen, Trinken, angenehme Raumtemperaturen) muss man zuerst sorgen.
Das Schamgefühl in sexueller Hinsicht wird bei den Übungen auch nicht verletzt. – Wenn ich liegende Notfallopfer drehen und wenden muss, greife ich sie an Schulter und Hüfte. (Es gibt in den Kursen keine Übungen, in welchen man direkt in einen Schambereich greifen muss.)
Hemmungen entstehen bei meinen Kursteilnehmern öfter mal am Anfang, wenn sie die Atmung eines Bewusstlosen kontrollieren sollen.
Dazu müssen die Kursteilnehmer beide Hände an Stirn und Kinn des Notfallopfers legen und den Mund öffnen, nach Blut und Erbrochenem suchen (- Letzteres lasse ich aber nicht praktisch üben. -). Danach muss der Kopf überstreckt werden, um die Luftröhre frei zu machen, welche durch die Zunge beim Bewusstlosen versperrt ist. Ohne Überstreckung des Kopfes bekomme ich die Luftröhre nicht frei.
Das üben wir alles am lebenden Menschen. (Beatmung und Herz-Lungen-Wiederbelebung üben wir an Modellen, also Puppen.)
Zudem muss ich den Leuten beibringen, wie man mit dem sog. Rettungsgriff (Rautek-Griff) Notfallopfer aus Gefahrenbereichen wegzieht. Da lässt sich auch kein Körperkontakt vermeiden.
Nach Geschlechtern trenne ich die Kursteilnehmer, soweit das möglich ist. (Im wirklichen Leben muss aber auch ein Mann eine Frau wiederbeleben können, ohne blöde Bemerkungen von „Gaffern“, dass er ihr zu diesem Zweck den Oberkörper frei machen muss.)
In erster Linie aber trenne ich insbesondere beim Rautek-Griff die Leute nach Körpergewicht, damit sich dabei niemand Rückenschmerzen zuzieht.
Die unbeliebteste Übung ist die Helmabnahme beim Motorradfahrer – besonders bei denen, die selber nicht Motorrad fahren. Dennoch muss ich lt. dem Leitfaden, der nicht nur fürs Rote Kreuz, sondern auch für andere Hilfsorganisation offiziell behördlich genehmigt gilt, die Helmabnahme üben lassen. – Auch dabei lassen sich Körperkontakte nicht vermeiden. (Die Helmabnahme ist notwendig, weil sich mit Helm die Atmung nicht unbedingt kontrollieren und keine stabile Seitenlage herstellen lässt.)
Mir gelingt es aber oft ganz gut, die Kursteilnehmer zur Teilnahme an den praktischen Übungen zu bewegen. (Wenn jemand sich weigert, an ALLEN Übungen teilzunehmen, bekommt er eben einen Vermerk in seine Bescheinigung, dass er nicht aktiv teilgenommen hat. Aber das ist in meinen Kursen noch nicht vorgekommen.)
Das Problem, zu anderen Menschen einen Körperkontakt aufzunehmen, besteht sicherlich nicht nur in solchen Kursen.
Es fängt ja schon damit an, dass viele Menschen auch nicht mehr in der Lage sind, einen fremden Menschen an der Hand anzufassen und zu trösten, wenn es ihm schlecht geht.
Wir versuchen in unseren Kursen den Teilnehmern auch zu vermitteln, wie man ganz einfach Menschlichkeit und Anteilnahme am Leiden anderer Menschen zeigt.
Ja, es ist relativ einfach, eine Spende an eine Hilfsorganisation zu überweisen. Das ist auch alles gut gemeint und sinnvoll. Aber zumindest in einem Notfall muss man
fremde Menschen auch ansprechen und anfassen können.
Viele Grüße
Brigitte
Ich merke immer wieder, daß den Leuten gar nicht bewußt ist, daß sie nicht viel falsch machen können!
Es ist doch soooo wichtig, daß sie überhaupt was machen, anstatt weiter zu fahren, aber viele aus meinem Bekannten- und Freundeskreis sagen selbst, daß sie echt Angst vor solch einer Situation haben, da sie nicht mehr wissen, was genau sie tun müssen.
Ich denke, man solte öfters einen Erste-Hilfe Kurs machen, die Unsicherheit, weil die meisten nicht mehr wissen, wei das alles noch so wahr zu Beginn des Führerscheins, ist riesg.
Und ja, Deutschland ist ein Gafferland! Wie käme es sonst so oft zu weiteren Unfällen an Unfallstellen? Weil die Leute uuuuunbedingt mal gucken müssen, was da genau los ist….
Ich bin echt froh, mehr als einen Erste-Hilfe Kurs besucht zu haben. War Pflichte bei meinem vorherigen Job. Das nimmt einem viel Unsicherheit, weil viel hängen bleibt.
eben, weil sich ein Körperkontakt nicht vermeide läßt, haben viele davor Hemmungen und für manche Menschen gehört schon die Hüfte mit zum Schambereich, nach deren Definition.
Mir ist es zum Beispiel unangenehm, wenn mir jemand an den Hals geht, den ich nicht kenne – da kann ich richtig fuchsig werden. Alleredings kann ich mich nicht wirklch dagegen wehren, wenn ich nicht bei Bewußtsein oder in einem Dämmerzusatnd bin – also bei Unfällen, Verletzungen oder allergischen Reaktionen. Nur das ist nun mal nicht der Fal in so einem Kurs.
Von daher ziehe ich ja die Kurse mit Leuten vor, die ich sehr gut kennen und die mich kennen, denn da habe ich weniger diese Hemmungen.
Ich denke, das es anderen genauso geht.
Mir ist schon klar, das es wichtig ist. Ich bin auch der Meinung, das solche Kurse in regelmäßigen Abständen, zum Beispiel alle 5 Jahre wiederholt werden sollten.
Wie gesagt, ich mache ihn alle halbe Jahre, einmal vor Beginn der Festivalzeit und einmal während der Hallenzeit.
Und man merkt dann auch, wie gern die Leute in unmittelbarer Nähe einfach wegschauen – zum Beispiel bei einen Kraislaufkollaps, oder sich darüber noch lustig machen, weil sie der Meinung sind, das sie einfach nur besoffen sind. Selbst wenn man denen im normalen Ton eine Anweisung gibt, reagieren sie dann noch nicht einmal. Erst wenn man laut wird, spuren sie immer erst und machen auch, was ich denen sage.
Aus diesem Grund fand ich auch diesen fiktiven Großunfall so genial, für einen Ersthelferkurs. Dort hat man nicht lange nachdenke können, sondern hat unter Anleitung und Anweisung die Griffe und Vorgehensweisen gelernt und direkt angewandt. Ich denke auch, das es dort einfacher ist und das man sich das gezeigt und gelernte einfache eher behält.
@ Anke
Das ist wohl wahr! Das Einzige, was man falsch machen kann als Ersthelfer ist, gar nichts zu tun.
Das Strafgesetzbuch und auch noch andere Gesetzbücher schreiben uns die Pflicht zur Hilfeleistung vor, sofern wir das können. (Jemand mit einem künstlichen Kniegelenk nach einer Kniegelenks-Arthrose wird kaum eine Herz-Lungen-Wiederbelebung durchführen können.)
Ich appelliere in meinen Kursen jedoch nicht primär an das „Helfen müssen“, sondern an das „Helfen wollen“ und auch „Helfen können“. (Was man alles auch als Laie kann, das lernen die Teilnehmer ja in den Kursen.)
Klar, viele Leute haben Angst, da etwas falsch zu machen. Aber auch Ersthelfer, die versehentlich mal etwas falsch machen, machen sich nicht strafbar. Strafbar machen sie sich nur, wenn sie gar nichts tun.
In Sachen „Gaffer“: Ich habe oft die Erfahrung gemacht, wenn auch nur einer unter den Gaffern die ersten Schritte einleitet und andere „Gaffer“ bittet, mit Hilfe zu leisten, dann geht das auch. – Nur einer muss den ersten Schritt machen, um den anderen Mut zu machen.
Ja, ich wäre auch dafür, dass alle Führerscheinbesitzer regelmäßig Kurse in Erster Hilfe machen sollten. – Man vergisst sonst zuviel und wird damit unsicherer.
Die Kurse dienen nicht nur dazu, anderen zu helfen; sondern auch dazu, dass andere Menschen einem selber helfen können, wenn man mal in eine Notlage gerät.
@ Lacrima
Mit dem Anfassen von Hüfte und Schulter haben meine Kursteilnehmer keine soooo großen Probleme.
Aber es ist ihnen unangenehm, wenn sie einem fremden liegenden Menschen den Mund öffnen müssen.
Ich löse das Problem oft mit Humor und sage: „Wir machen hier keinen zahnärztlichen Befund.“
Das Kopfüberstrecken begründe ich mit Fallbeispielen. (Mein Mann arbeitet im Rettungsdienst; von ihm kenne ich zahlreiche reale Beispiele, dass man allein durch das Kopfüberstrecken oft die Atmung wieder in Gang bringen kann.)
Lacrima, es ist technisch und organisatorisch selten möglich, Gruppen zu haben, deren Mitglieder sich untereinander kennen. Wieso auch? Im realen Leben muss man auch einem fremden Menschen helfen können.
Ich verstehe aber sehr gut, dass es zunächst mal unangenehm ist, einen fremden Menschen anzufassen.
Ich versuche aber, den Kursteilnehmern zu vermitteln, dass sie damit Leben retten können.
(Nächste Woche habe ich eine Schulklasse mit Jugendlichen von 16 – 17 Jahren. Die kennen sich untereinander. – Dennoch werden sie zunächst Hemmungen haben, sich anzufassen.)
Aber das kriege ich schon hin! (- ohne Zwang! -)
Am Ende müssen die Leute wissen: Ich kann und will auch helfen und ich kann damit als Ersthelfer Leben retten.
Viele Grüße
Brigitte
Wie ich schon sagte, ich kann einem Menschen helfen, wenn ich in die Situation kommen, weil ich einfach in der Situation nicht nachdenke, sondern automatisch handel – was vielleicht auch an der Regelmäßigkeit meiner Kurse liegt. Das habe ich zum Beispiel auch schon vor dem Ersthelferkurs für den Führerschen. Aber trotzdem habe ich ein Problem damit in einem Kurs einen mir völlig fremden Menschen anzufassen, weil er bei vollem Bewußtsein ist und und und. Und ich denke viele andere sehen das genauso.
Irgendwie ist das wie im Sportstudio, einige trainiren nur sehr ungern in Studios, die gemischt sind und kein Stammpublikum haben oder beim Kampfsport: nicht umsonst gibt es nur ganz selten gemischte Gruppen in diesen Sportarten oder freie Trainings. Einfach, weil die Hemmungen in einer Geschlechtsgruppe geringer sind und wenn man sich kennt fast gänzlich abgebaut werden.
klar weil die sich bereits mit der Sexulaität auseinander setzen und bereits die natürliche Hemmung ud Scham aufgebaut haben.
Hallo Lacrima,
genau das versuche ich ja den Teilnehmern zu vermitteln, dass wir keine Übungen wie in einem Sportstudio machen.
Ich frage auch die Teilnehmer nicht: „Wer will denn ….. etc.?“
Ich sage zu einem Teilnehmer: „Sie sind jetzt das Notfallopfer. Legen sie sich mal auf die Decke.“
Und dann veranlasse ich die Gruppe, etwas zu tun. – Das geht auch. Und auch sexuelle Hemmungen lassen sich schnell überwinden.
Die von dir genannte „natürliche Hemmung und Scham“ habe ich aber z. B. in Ostafrika oder auch in islamischen Ländern nicht beobachten können!
Selbst wenn ich mir in Ostafrika auch nur den Kopf in einem Sammeltaxi (Matatu) angestoßen hatte, ohne mich ernsthaft verletzt zu haben, bekundeten alle andere Insassen – egal ob Männer oder Frauen – ihr Mitgefühl für mich, fassten mich an der Hand und trösteten mich in allen möglichen Sprachen.
Das scheint mir hier ein kulturelles Problem zu sein. (Selbst in islamischen Ländern, in welchen fast alle Frauen „zugehängt“ sind, habe ich immer beobachtet, dass in Notfällen auch Männer diesen Frauen helfen. In einem realen Notfall gibt es keine sexuelle Scham.)
Viele Grüße
Brigitte
Mir fällt es leichter Menschen anzufassen und zu helfen, die ich nicht kenne“ Dann bin ich lieber da wo ich keinen kenne, erste Hilfe leisten würde ich nur ungern, da ich zu geben muss, das ich Angst habe etwas falsches zu machen, z.b. Helm abnehmen, und damit jemanden schaden könnte. So geht es aber wohl 80 % aller Menschen, oder?
Was ich noch ganz schlimm finde, ist: das manche Menschen einen Notsituation ausnutzen, z.b. eine Panne simulieren und damit andere die wirklich Hilfe brauchen in ein falsches Licht rücken! Ist mir mal passiert, deshalb würde ich so schnell nicht wieder anhalten und helfen. Bin damals gut aus der Sache rausgekommen, weil ich schnell erkannt habe das es ein Fake ist!
Ja, Simona, die Fakes sind manchmal ein übles Problem. Darauf weise ich insbesondere auch die weiblichen Kursteilnehmer hin.
Es macht sich auch niemand strafbar (auch kein Mann), wenn er einen Fake vermutet und selber überfallen werden könnte. (Aber zumindest einen Notruf über die 112 kann man ja dennoch absetzen.)
Angst, etwas falsch zu machen, haben viele meiner Kursteilnehmer. Die Angst kann man ihnen nehmen, weil das Strafgesetzbuch nur diejenigen verurteilt, die GAR NICHTS tun.
Mache ich aber während einer Erste-Hilfe-Leistung versehentlich (ohne Vorsatz!) etwas falsch – ich kugele z. B. einer bewusstlosen Person versehentlich das Schultergelenk aus, so bin ich dafür strafrechtlich nicht verantwortlich, weil ich in dem guten Vorsatz gehandelt habe, dem Notfallopfer zu helfen.
Kleine Probleme habe ich manchmal mit 9- oder 10-jährigen Moslems in Schulklassen.
Wie soll ich da argumentieren, wenn mir einer kleiner Marrokaner sagt: „Aber, ein Mädchen darf man doch nicht anfassen.“
Da fällt mir dann schon etwas ein. Aber es „verdammt“ schwer, kleinen jungen Moslems zu vermitteln, dass sie in einem Notfall auch einem fremden Mädchen das Leben retten können. Das kostet viel Überzeugungsarbeit.
Viele Grüße
Brigitte
na ja, den Notruf würde ich in jedem Fall IMMER anrufen!
Aber dafür verantwortlich zu sein, das jemand querschnittsgelähmt ist, nur weil ich etwas falsch gemacht habe micht ich nicht sein, das ist mein Problem!
Nööö, Simona, die Ersthilfe in den ersten Minuten, noch bevor der Rettungswagen eintrifft, ist oft lebensrettend!
Wenn ich z. B. jemanden mit einer stark spritzenden Wunde aus einer dickwandigen Arterie habe, muss ich die Blutung, noch bevor der Rettungsdienst da ist, zum Stillstand bringen. Nach mehr als 1 l Blutverlust droht Todesgefahr! (Die Angst, etwas falsch zu machen, ist juristisch unbegründet. Es geht darum, Leben zu retten.)
Der Rettungswagen ist aber erst nach 10 Minuten da. In der Zeit kann das Notfallopfer schon tot sein.
Deshalb bilden wir ja die Ersthelfer so aus, das zu tun, was sie können, um in den ersten Minuten nach Eintritt des Notfalls schon Erste Hilfe leisten zu können.
Auch Bewusstlose, die atmen, aber schwere Knochenbrüche haben, bringen wir in die stabile Seitenlage; selbst wenn ein Knochenbruch oder eine Wirbelsäulenverletzung dadurch evtl. noch schlimmer werden kann.
Aber ohne eine solche Maßnahme stirbt das Opfer oft innerhalb weniger Minuten. (Knochenbrüche heilen oft gut; aber zu allererst muss man dafür sorgen, dass die Atmung erhalten bleibt und ggf. Wiederbelebungsmaßnahmen machen. – Zu allererst zählt das Leben! Leben funktioniert nicht ohne Atmung. – Erste Priorität haben daher die Vitalfunktionen. – Es nützt nichts, wenn du jemandem mit einer Wirbelsäulenverletzung nicht hilfst. Der stirbt dann mangels Atmung. Erhalte ich aber Atmung und Kreislauf als Ersthelfer mit minimalen Mitteln aufrecht, erhöht sich die Chance lt. Statistik um mehr als das Doppelte, dass derjenige überhaupt überlebt.)
Viele Grüße
Brigitte
Da fängst ja schon an, wie ging die stabilie Seitenlage nochmal! Wäre ja für kostenlose erste Hilfe Kurse alle 2-3 Jahre!
Hallo Simona,
ganz kostenlos können wir keine Kurse anbieten, auch wenn wir viele ehrenamtliche Mitarbeiter haben und in Zukunft, wenn unsere Bevölkerung weiter überaltert, noch viel mehr ehrenamtliche Mitarbeiter brauchen werden.
Der Verwaltungsaufwand und die Materialkosten für solche Kurse müssen ja irgendwie finanziert werden.
Ich wäre dafür, dass gesetzlich vorgeschrieben würde, dass alle Autofahrer z. B. spätestens nach 3 Jahren einen Auffrischungskurs machen.
Das gilt ja nicht nur für die Autofahrer. Unfälle im Straßenverkehr machen lt. Statistik gerade mal 6 % aus; die meisten Unfälle passieren im Arbeits- oder Freizeitbereich.
Vor etwas über einem halben Jahr sah ich mal bei RTL eine Sendung, in welcher ein Mitarbeiter vom Roten Kreuz einen Test bei Taxi-Fahrern gemacht hat.
Und KEIN EINZIGER (!!!) dieser Taxi-Fahrer wusste noch, wie man eine stabile Seitenlage herstellt.
Und das sind Leute mit einem Personenbeförderungsschein. Ja, ist das nicht ein mieses Gefühl, in ein Taxi zu steigen und zu wissen, dass der Taxi-Fahrer in einem Notfall nicht weiß, was er tun muss?! 😕
Viele Grüße
Brigitte
Hmmmmm,
habe ich hier einen wunden Punkt erwischt?
Gerade erst vor 2 Tagen habe ich ein 6jähriges Kind aus einem halb eingefrorenen Bach herausgefischt. Das Kind war am Kopf verletzt und lag mit dem Gesicht im durchgebrochenen Eiswasser.
Dies musste ich aus Gewissensgründen tun, aber auch nach dem Strafgesetzbuch, § 323 c, welches jedem Staatsbürger die Pflicht auferlegt, Hilfe zu leisten, sofern es der- oder diejenige selber kann. (Das Gesetz verlangt nicht, dass sich ein Ersthelfer auf eine Eisfläche auf einen See begibt, worin er selber einbrechen kann!)
Jedem, dem ein Unglück widerfährt, würde sich Hilfeleister wünschen.
Ich wünsche und hoffe, dass allen, denen geholfen werden muss, auch geholfen wird!
Viele nachdenkliche Grüße
Brigitte
Ich habe am Wochenende erst wieder einen Kreislaufkollaps aufgrund unmengen von Alkohol verarzten, weil jeder nur dachte, das er besoffen war. Security hat das dann mitbekommen, weil ich nach ihnen geschickt habe und dann ging alles ganz schnell und der Krankenwagen war fix da.